Einführung
In Zeiten der Klimakrise suchen viele Länder nach Möglichkeiten, ihre Energiequellen zu dekarbonisieren und die Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren. Während erneuerbare Energien wie Wind und Sonne zunehmend an Bedeutung gewinnen, gibt es immer noch eine starke Befürwortung für den Ausbau neuer Atomkraftwerke als Lösung zur Dekarbonisierung. Doch die Fakten zeigen, dass neue Atomkraftwerke weder die kostengünstigste noch die schnellste Option sind, um die Energieversorgung zu dekarbonisieren. Im Gegenteil, sie könnten eine kostspielige und gefährliche Ablenkung von der dringenden Notwendigkeit sein, den Klimawandel zu bekämpfen.
Atomkraft: Teuer und langsam
Hohe Kosten und lange Bauzeiten
Der Bau neuer Atomkraftwerke ist mit enormen Kosten verbunden. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Atomkraftwerke zu den Investitionen mit den häufigsten und größten Kostenüberschreitungen gehören. Der Bau neuer Kernreaktoren ist durch hohe Baukosten und langwierige Bauzeiten gekennzeichnet. Ein aktuelles Beispiel ist das französische Flamanville-Projekt, dessen geschätzte Baukosten von ursprünglich 3,3 Milliarden Euro auf nunmehr 13,2 Milliarden Euro gestiegen sind.
Sicherheit treibt die Kosten
Die hohen Baukosten von Atomkraftwerken sind in erster Linie auf Sicherheitsaspekte zurückzuführen. Die Wahrscheinlichkeit von nuklearen Unfällen bleibt bestehen, und die potenziellen Schäden könnten global sein. Diese Unsicherheit erschwert die Bestimmung der Kosteneffizienz von Sicherheitsinvestitionen. Frühere Atomkraftwerke wurden mit geringeren Sicherheitsanforderungen gebaut, aber die politischen Entscheidungsträger legen heute mehr Wert auf Sicherheit, da die private Versicherungsdeckung für Kernkraftwerksbetreiber in der Regel sehr begrenzt ist.
Atomkraft ist nicht wettbewerbsfähig mit erneuerbaren Energien
Sinkende Kosten erneuerbarer Energien
Der Hauptgrund, warum Atomkraft nicht mit erneuerbaren Energien mithalten kann, liegt in den rasant sinkenden Kosten für erneuerbare Energien. Die Preise für Wind- und Solarenergie sind in den letzten Jahren dramatisch gesunken und haben das Potenzial, noch weiter zu fallen. Neue Atomkraftwerke können nicht mit der Kosteneffizienz und Flexibilität von erneuerbaren Energien konkurrieren, die schnell und kostengünstig in den Energiemix integriert werden können.
Baseload vs. Flexibilität
Ein häufiges Argument für Atomkraft ist, dass sie eine stabile Grundlastversorgung liefert, die einen wertvollen Beitrag zu einem Energiemix leistet. Doch die Realität zeigt, dass Atomkraftwerke nicht immer zuverlässig baseload liefern können. Unter anderem können extreme Wetterbedingungen wie Hitzewellen und niedrige Flussstände die Kühlung von Kernkraftwerken beeinträchtigen und die Stromerzeugung beeinflussen.
Erneuerbare Energien können ebenfalls zuverlässige Grundlastversorgung bieten, wenn sie mit Speichertechnologien wie Batterien oder Pumpspeicherkraftwerken kombiniert werden. Die Kosten für Energiespeicher sind in den letzten Jahren stark gesunken und machen erneuerbare Energien zu einer flexiblen und wettbewerbsfähigen Option.
Berücksichtigung weiterer wirtschaftlicher Auswirkungen
Es ist wichtig, nicht nur die direkten Kosten der Energieerzeugung zu berücksichtigen, sondern auch die indirekten wirtschaftlichen Auswirkungen. Atomkraft bringt zusätzliche Herausforderungen mit sich, wie die Entsorgung von Atommüll und die Risiken von Uranabbau. Diese Kosten sind schwer zu quantifizieren, aber sie müssen in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.
Neubau von Atomkraftwerken dauert zu lange
Ungewisse Lieferzeiten
Selbst wenn Atomkraftwerke kostengünstig und zuverlässig wären, gibt es ein entscheidendes Problem: Die Bauzeiten neuer Atomkraftwerke sind lang und unsicher. Selbst optimistische Schätzungen gehen von Bauzeiten von etwa einem Jahrzehnt aus. In der Realität haben sich jedoch alle jüngsten Atomneubauten in OECD-Ländern erheblich verzögert.
Klimakrise erfordert schnelles Handeln
Die Klimakrise erfordert jedoch schnelles Handeln. Die Zeit drängt, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und die Klimaziele zu erreichen. Neue Atomkraftwerke könnten zu spät kommen, um einen signifikanten Beitrag zur Dekarbonisierung der Energieversorgung zu leisten.
Fazit
Neue Atomkraftwerke mögen auf den ersten Blick eine verlockende Option zur Dekarbonisierung der Energieversorgung sein, doch die Fakten sprechen eine andere Sprache. Sie sind teuer, langsam und können nicht mit der Kosteneffizienz und Flexibilität erneuerbarer Energien konkurrieren. Angesichts der Dringlichkeit der Klimakrise ist es entscheidend, in kostengünstige und schnelle Lösungen zu investieren. Erneuerbare Energien bieten eine vielversprechende Möglichkeit, den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Zukunft zu beschleunigen und den Klimawandel zu bekämpfen. Alles andere wäre eine kostspielige und gefährliche Ablenkung von der Klimakrise.
Quelle: https://www.cell.com/joule/fulltext/S2542-4351(23)00281-7