Die Krise von Northvolt zeigt deutlich: Europas Batterieindustrie steht vor einer entscheidenden Weichenstellung. Ohne gezielte Maßnahmen könnte die EU im globalen Wettbewerb um die Zukunftstechnologie Batterien ins Hintertreffen geraten.
Ein angeschlagener Vorreiter
Northvolt, einst Aushängeschild für Europas Ambitionen in der Batterieproduktion, geriet trotz eines beeindruckenden Auftragsvolumens von 55 Milliarden Dollar an den Rand des Bankrotts. Ein Liquiditätsengpass zwang das schwedische Unternehmen zur Entlassung von 1.000 Mitarbeitern – ein Alarmsignal für die gesamte Branche. Während China und die USA gezielt ihre strategischen Lieferketten stärken, droht die europäische Batterieindustrie zurückzufallen.
Strukturelle Probleme im Kern der Industrie
Trotz angekündigter Investitionen von 180 Milliarden Euro kämpft die europäische Batteriebranche mit massiven Herausforderungen:
- Verzögerte Projekte: Mehr als die Hälfte der geplanten Gigafabriken in der EU sind von Verschiebungen oder Stornierungen betroffen.
- Abwanderung: Unternehmen wie Freyr Battery verlagern Investitionen in die USA, um von dortigen Steueranreizen zu profitieren.
- Mangelnde Eigenproduktion: Schlüsselkomponenten wie Kathoden, Anoden und Elektrolyte kommen fast ausschließlich aus China und Südkorea.
Diese Abhängigkeit von asiatischen Lieferketten birgt nicht nur wirtschaftliche, sondern auch geopolitische Risiken. Ohne gezielte Gegenmaßnahmen könnte Europa dauerhaft auf Importe angewiesen bleiben.
Chinas Dominanz und Europas Dilemma
Die Dominanz Chinas ist das zentrale Problem. Mit einem Anteil von 80 % am weltweiten Markt für Batteriezellenkomponenten und günstigen Rohstoffzugängen hat China einen Wettbewerbsvorteil, der schwer aufzuholen ist. Hinzu kommen Überkapazitäten in der Produktion, die Batteriezellen aus China um bis zu 50 % günstiger machen.
Auch sinkende Preise für Rohstoffe wie Lithium und Nickel sowie lokale Widerstände gegen den Abbau in Europa verschärfen die Lage. Europäische Unternehmen müssen gegen ein globales Netzwerk aus staatlich gestützten Konkurrenten antreten – ein ungleicher Kampf.
Ein neuer Kurs für Europas Batteriepolitik
Die EU benötigt eine klare wirtschaftspolitische Sicherheitsdoktrin, um die Batterielieferkette gezielt zu stärken. Vier Schwerpunkte könnten dabei den Unterschied machen:
1. Diversifikation statt Abhängigkeit
Europa muss alternative Partner finden, um sich von einseitigen Abhängigkeiten zu lösen. Ein vielversprechendes Beispiel ist die Entwicklung von Silizium-Anoden, die Graphitanoden ersetzen könnten, bei denen China fast den gesamten Markt kontrolliert. Partnerschaften mit Ländern wie Südkorea oder den USA könnten durch finanzielle Unterstützung und gemeinsame Forschungsprogramme gestärkt werden.
2. “Made in EU” fördern
In strategischen Bereichen wie Batteriezellen, Recycling und Komponentenproduktion sollte die EU die heimische Industrie stärken.
Maßnahmen könnten sein:
- CO₂-Fußabdruckregelungen, die lokal produzierte Batterien begünstigen.
- Zölle auf chinesische Batterien, um heimische Produkte wettbewerbsfähiger zu machen.
- Gezielte Subventionen, wie sie über den 3-Milliarden-Euro-Batteriefonds möglich sind.
3. Schutz für innovative Technologien
Europäische Vorreiter wie Blue Solutions in Frankreich oder Basquevolt in Spanien entwickeln bereits vielversprechende Ansätze für Festkörperbatterien. Diese „Infant Industries“ benötigen Schutz vor Dumping durch internationale Wettbewerber. Handelsmaßnahmen und gezielte Investitionen könnten hier Wachstum ermöglichen.
4. Sicherheit für kritische Infrastruktur
Batterien sind entscheidend für die Energiewende und die digitale Zukunft Europas. Daher sollte die EU nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die sicherheitspolitische Dimension im Blick behalten. Gezielte Analysen könnten Risiken durch Cyberangriffe oder geopolitische Konflikte frühzeitig identifizieren und mindern.
Ein Wettlauf um die Zukunft
Die sogenannte „Batteriewende“ ist längst zu einem geopolitischen Wettstreit geworden. Europa kann es sich nicht leisten, in diesem Rennen nur Zuschauer zu sein. Eine entschlossene Strategie, die Innovation und Unabhängigkeit gleichermaßen fördert, könnte die Grundlage für eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Batterieindustrie schaffen.
Jetzt ist die Zeit für mutige Entscheidungen – bevor Europas Batterieindustrie endgültig gegen globale Konkurrenten verliert.